Viele Betreiber von Solaranlagen erhalten in diesen Tagen Post von ihrem Netzbetreiber. Denn über 300.000 Photovoltaik-Anlagen werden in den nächsten zwei Jahren nachgerüstet. Neue Anlagen, deren Wechselrichter ab April 2011 produziert wurden, sind nicht betroffen, denn sie entsprechen schon der neuen Regelung. „Betreiber von kleinen Anlagen bis 10 Kilowatt Leistung wie sie häufig auf Einfamilienhäusern installiert sind, müssen nicht nachrüsten. Für die Anlagenbetreiber ist die Umstellung kostenlos. Sie sind jedoch zur Mitarbeit verpflichtet“, erklärt Jörg Mayer, Geschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft e.V. (BSW-Solar), das Verfahren. Die Umstellung wird nötig, da seit 2005 vorgeschrieben war, dass Photovoltaik-Anlagen sich bei bestimmten Frequenzen automatisch abschalten. Sollte dieses zeitgleich über viele Anlagen in Deutschland geschehen, könnte es zu Ausfällen im Stromnetz kommen. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist sehr gering, aber um ein hohes Maß an Versorgungssicherheit in Deutschland gewährleisten zu können, sind solche Vorsorge-Maßnahmen erforderlich. Anlagen-Betreiber haben die Wahl: Für die Nachrüstung kann ihr Wunsch-Handwerker beauftragt werden. Eventuell anfallende Mehrkosten tragen die Anlagen-Betreiber. 

Die Netzbetreiber organisieren die Nachrüstung. Dafür benötigen sie detaillierte Angaben zur Solarstrom-Anlage, die sie bei den Betreibern abfragen. „Einige Netzbetreiber klagen darüber, dass die Fragebögen nicht richtig ausgefüllt werden. Auf unserer Internetseite finden Anlagenbetreiber eine laienverständliche Ausfüllanleitung, die dabei hilft, die benötigten Angaben einzutragen. Bei Fragen helfen gerne auch die Installateure vor Ort weiter“, sagt Mayer.

Betreiber von betroffenen Anlagen müssen nicht selbst aktiv werden. Sie erhalten von ihrem Netzbetreiber ein Schreiben mit einem Fragebogen, den sie ausgefüllt innerhalb von vier Wochen zurücksenden müssen. Versäumen die Anlagenbetreiber die Beantwortung, sind die Netzbetreiber verpflichtet, die Einspeisevergütung bis zur erfolgten Nachrüstung einzustellen. Die Verbände raten deshalb dazu, den Fragebogen umgehend auszufüllen und zurückzusenden.

Antworten auf häufig gestellte Fragen, den Fragebogen der Netzbetreiber und eine Ausfüllhilfe sind auf der Webseite des BSW-Solar zu finden: http://www.solarwirtschaft.de/betreiber

Hintergrund

Der ins Netz eingespeiste Strom und der abgefragte Strom muss sich stets die Waage halten. Ob dies der Fall ist, lässt sich an der Frequenz ablesen. In Europa beträgt die Frequenz im Normalzustand 50 Hertz. Leichte Schwankungen nach oben und unten sind üblich und werden von den Betreibern der Stromnetze beherrscht. Kommt die Nachfrage dem Angebot nicht hinterher, beispielsweise im gestörten Betrieb während eines Netzwiederaufbaus oder bei starkem Leistungsüberschuss, der aufgrund von Prognosefehlern nicht eingeplant wurde, besteht die Gefahr, dass die Netzfrequenz einen kritischen Wert erreicht.

Um dem vorzubeugen, galt bisher entsprechend der bis dahin gültigen Norm: Solaranlagen trennen sich automatisch bei einer Netzfrequenz von 50,2 Hertz vom Stromnetz. Dadurch können heute abrupt mehrere Gigawatt Erzeugungskapazität ausfallen, und von einer Sekunde zur nächsten würde das Stromangebot stark zurückgehen. Zwar steht für Notfälle eine Reserve mit einer Leistung von rund drei Gigawatt bereit, doch diese wäre sowohl von der Menge als auch von der Aktivierungszeit nicht ausreichend. Um für diesen sehr unwahrscheinlichen Fall gewappnet zu sein, werden jetzt die Photovoltaik-Anlagen mit mehr als 10 Kilowatt Peak Leistung vorsorglich auf ein gestaffeltes Verfahren umgestellt. Künftig trennen sich die Solaranlagen gestaffelt beim Erreichen unterschiedlicher Schwellwerte zwischen 50,3 und 51,5 Hertz vom Stromnetz, bis dieses wieder stabil ist.

Die Frequenz des europäischen Stromnetzes schwankt in der Regel nur geringfügig zwischen 49,99 Hz und 50,01 Hz. Steigt die Frequenz stärker an und droht die 50,2-Hz-Schwelle erreicht zu werden, greifen die Netzbetreiber zunächst zu anderen Regulierungsmaßnahmen. Hierzu zählen u.a. die Abschaltung von Kraftwerken, die Nutzung von Pumpspeicherkraftwerken und zuletzt die Reduktion des produzierten Stroms über das Einspeisemanagement. Die zusätzliche automatische Trennung von Anlagen aus Erneuerbaren Energien – also auch von Photovoltaik-Anlagen – als Ultima Ratio ist bei Erreichen einer kritischen Netzfrequenz allerdings unerlässlich, um das Stromnetz vor einem großflächigen Stromausfall, einen so genannten Black-out, bewahren zu können. Der Einspeisevorrang der Erneuerbaren Energien bleibt von dieser Regelung unberührt. Sobald die Netzfrequenz sich wieder im Normalzustand von 50 Hz einpendelt hat, speisen die Photovoltaik-Anlagen nach einer Wartezeit von 60 Sekunden wieder Strom in das Netz.